Wie es anfing

2017 und 2018 hatte ich die Ehre und die Möglichkeit, in einem großartigen Unternehmen als Head of Cloud & Operations zu arbeiten. Die Rolle war in der Zeit aber keineswegs statisch. Die Aufgaben haben sich im Laufe der Monate und Jahre stark geändert. Am Anfang war da noch diese berühmte “hands-on”-Mentalität. Überall wurde mit angepackt. Das lag natürlich vor allem daran, dass es gerade am Anfang nicht viele Entwickler-Kollegen gab und so musste ich einen Großteil der Software und Infrastruktur selbst entwickeln. Mit der Zeit kamen aber immer mehr Kollegen dazu, sodass ich mich selbst aktiv aus der Entwicklung rausgezogen und meinen Fokus auf strategische und taktische Themen gelegt habe.

Dazu kam natürlich auch, dass ich nun nicht mehr einfach als Entwickler denken und agieren konnte. Ich war nicht mehr derjenige, der über die Pflege und akkurate Arbeit am Code Werte schuf, sondern dadurch, dass ich die Arbeit möglich machte und Strategien entwickelte, um das Produkt, die Entwicklung und die Kollegen nach vorne zu bringen.

Seit meiner Arbeit als Head of Cloud & Operations hat sich also mein Blick auf die Informatik stark geändert. Weg von der code-zentrischen Ansicht, in der der Code perfekt sein muss und man glaubt, für jedes Problem eine technische Lösung finden zu können. Die Arbeit in so einer Rolle zeigt ganz schnell, dass es vor allem menschliche und rechtliche Hürden gibt, die genommen werden müssen. Und das man Probleme am besten durch zuhören und geschickte Argumentation mit anderen zusammen löst.

Durch diese Arbeit und die damit verbundenen Herausforderungen habe ich an mir eine ganz neue Seite entdeckt: Das Interesse an betrieblichen und betriebswirtschaftlichen Vorgängen. Wie also funktioniert ein Unternehmen im Ganzen und wie kann ich geschaffene Werte definieren und messen? Wie funktionieren die Dynamiken und Gruppen und Abteilungen und wie vermeide ich den Mauerbau zwischen diesen? Wie fördere ich also den Schulterschluss und wie finde ich den gemeinsamen Nenner, auf den sich z. B. Marketing, Produkt-Entwicklung und Software-Entwicklung einigen können? Wie arbeiten die unterschiedlichen Fachdisziplinen und wie kann man diese miteinander sinnvoll und gerecht synchronisieren?

Diese Themen sind unfassbar spannend und mit diesen Fragestellungen habe ich mich auch lange Zeit befasst. Durch mein zusätzliches politisches Engagement in meiner Freizeit bin ich dann aber auch auf die Betrachtung von Betriebswirtschaftlichkeit in einer etwas größeren Skalierung gekommen und fand mich dann plötzlich mitten in der Mikro- und Makroökonomie der Volkswirtschaften wieder. Wie also wird der Markt reguliert und wie positioniert sich der Staat in einer Volkswirtschaft? Welche Mittel hat dieser? Wie funktionieren die Fiskal- und Finanzpolitiken und worin unterscheiden sie sich?

Dank einiger guter Lehrbücher, unter anderem von Peter Bofinger (Grundzüge der Volkswirtschaften), konnte ich da einen sehr guten Einblick in die Themen erlangen. Die Beschäftigung damit führte mich dann zu dem herausragenden Werk von Thomas Piketty “Das Kapital im 21. Jahrhundert”, das grundlegende Fragen des Kapitals sowie der Vermögensungleichheit und Einkommensungleichheit thematisiert. Nun, und das führte mich letztlich dazu tiefergehend über Währungssysteme nachzudenken, was mich dann zu Krypto-Währungen führte und das Thema brachte mich zu juristischen Fragestellungen.

Das juristische Denken

Ja… und so fand ich mich plötzlich mit dem Grundgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch wieder und arbeite seitdem das BGB AT durch. Und was soll ich sagen? Ich hielt die Jurisprudenz immer für trocken und fern vom Leben. Aber das ist sie mitnichten und ich war ehrlich gesagt sogar ein wenig erschrocken von mir selbst, welche Leidenschaft ich darin gefunden habe, mich mit den Themen den unterschiedlichen Sachverhalten auseinanderzusetzen und das juristische Denken zu verinnerlichen.

Gerade das ist total interessant. Das juristische Denken weicht so dermaßen von der Art und Weise ab, wie Informatiker denken, dass ich mich heute überhaupt nicht mehr wundere, wieso die Rechtsprechung (gerade in Deutschland) so weit hinter den technischen Möglichkeiten hinterher hängt. Informatiker denken vermehrt in Problemen und deren Lösungen. Und damit präsentieren sie der Menschheit eine schier unendliche Menge an Möglichkeiten für die Verbesserung des menschlichen Alltags, angefangen bei einer grenzenlosen Kommunikation bis hin zu intelligenten und autonomen Fahrzeugen und Fahrten in das Weltall. Der Kern der Juristerei ist es, Rechtsprobleme und Ansprüche auf ihre Gültigkeit zu prüfen und diese Ergebnisse sachlich und argumentativ zu begründen. Das heißt, dass einer der Haupttalente die Argumentation ist und damit einhergehend eine ganz persönliche Betrachtungsweise. Die Disziplin der Jurisprudenz benötigt ungleich mehr Zeit und Sorge, denn sie betrachtet die Normen auch immer in einem größeren Kontext, als nur auf das eine speziell zu lösende Problem.

Beiden Disziplinen ist aber ein enorm methodisches Vorgehen inne. In beiden Bereichen steht das Erkennen und Konkretisieren des eigentlichen Problems im Vordergrund. Die Methoden unterscheiden sich jedoch sehr voneinander, was aber auch in der Natur der Dinge liegt.

Jura und Informatik

Nun steht für mich die Überlegung an, wie ich meine bisherigen Skills, also die Informatik und das entsprechende Handwerk, die Software-Entwicklung, und die Jurisprudenz zusammenführen kann. Nach meinen bisherigen Erkenntnissen sind diese beiden Disziplinen akademisch derzeit viel zu stark voneinander losgekoppelt und benötigen viel mehr Brücken. Der Studiengang, den ich nun in der Fern-Uni Hagen besuche, ist der LL.B. (Bachelor of Law). Dieser Studiengang bildet eine vollumfängliche juristische Ausbildung ab mit einem großen Fokus auf Betriebswirtschaft und Wirtschaft. Das ist großartig und sehr spannend, weil es die rechtswissenschaftliche Ausbildung in einen direkten lebensnahen Kontext setzt. Genau genommen müssten wir jetzt auch daran arbeiten einen Studiengang zu entwickeln, der eine juristische Grundausbildung mit einem technischen Fokus ermöglicht, um die Herausforderungen der Zukunft besser angehen zu können. Manche Juristen fordern sogar den “programmierenden Juristen” (Siehe dazu “Legal-Tech”). Zu diesem Thema konnte ich mir bisher keine fundierte Meinung bilden, finde es aber unheimlich spannend in diese Zukunft hinzuarbeiten, in der wir die beiden so enorm wichtigen Bereiche Technologie und Rechtswissenschaften so nah wie möglich aneinander bringen, um die stark technologisierte Welt, in der wir leben, für alle sicher und gerecht zu gestalten.